Kann man sich die Stadt abgewöhnen?
Kann man sich die Stadt abgewöhnen?
26.Oktober 2016
Die Langenhorner Chaussee, nicht unbedingt die Straße, die man gerne fährt. Ganz unangenehm fand ich früher, beim durchfahren, das Ende der „Langenhorner“ mit diesen seltsamen heruntergekommenen Ladenzeilen.
Wahrlich keine schöne Ecke Hamburgs. Ich war immer froh, wenn ich endlich die Segeberger Chaussee erreicht hatte.
Wie kommt es, dass ich grad heute darüber nachdenke?
Es ist Samstag. Ich bin für eine Woche allein, weil meine liebe Frau mit einer Freundin nach Italien geflogen ist. Und da ich heute nichts zu tun habe, bin ich mal nach Eimsbüttel, meine alte Heimat, gefahren.
Ein schöner Kaffee und ein Croissant bei Toni im Eppendorfer Weg wäre jetzt genau das richtige und ich freue mich schon drauf. Nur noch einen Parkplatz finden und dann genießen. Samstag Mittag. Nur noch einen Parkplatz finden…
Ich fahre den Eppendorfer Weg herunter und wieder zurück. Dreimal bei Toni vorbei. Meine Suche hat keinen Erfolg. Aber ich hatte mich doch schon so auf den Kaffee gefreut. Hmmm, für Toni ist wohl heute nicht der richtige Tag. Was nun?
Ach, der Eppendorfer Weg ist lang und ich fahre mal weiter. Irgendwo wird schon ein kleines Café auf mich warten. Ich sehe das Vespers an der Ecke Osterstrasse. Dort kehre ich ein.
Ich finde einen Parkplatz, freue mich, finde einen Tisch und freue mich nochmal. „Einen Americano mit Milch und ein Stück Kuchen bitte“. Die Kellnerin ist superfreundlich.
Neben mir sitzt ein junges Paar. Der Mann hat zwischen mir und ihm einen Stuhl herausgezogen und mal eben einfach irgendwohin an den Nebentisch gestellt. Die Leute an dem Tisch haben etwas verwundert geschaut.
Die nette Kellnerin kommt zu den beiden und der Mann sagt: „zwei Kaffee“. Sie bringt den Kaffee. Nichts kommt von den beiden. Der Typ winkt die Kellnerin noch einmal heran: „Einmal Rührei“. Die Kellnerin bringt das Rührei. Nichts kommt von den beiden. Die nette Kellnerin ist dreimal bei den beiden „Herrschaften“ gewesen. Kein „Bitte“, kein „Danke“, nichts. Ich verstehe das nicht. Wo ist denn die Erziehung? Sagt man das heute nicht mehr? Bin ich zu alt? Ich weiß es nicht.
Und deren Sprache verstehe ich auch nicht so recht. Business-Denglish vom allerschlimmsten. Ich glaube nur in Deutschland ist man freiwillig bereit die Muttersprache so tief in den Gulli zu schmeißen, dass sie keiner mehr wiederfindet. Schade drum.
Ein zweites Paar ist auf dem Weg, sich zu diesen unglaublichen Menschen zu gesellen. Vater mit zwei Kindern an der Hand, Mutter mit Kind im Kinderwagen.
Mutter knallt mit ihrem Kinderwagen gegen meinen, zugegebenermaßen zwei Zentimeter von meinem Tisch herausragenden Fuß. Es entfleucht ihr ein „oh“. Es hört sich eher an wie ein trockener Furz als eine Entschuldigung und ich schaue sie etwas verdutzt an.
Keine weitere Reaktion.
Die Kinder stehen einen Zentimeter vor meinem Tisch und fangen an zu schreien. Ich schaue jetzt etwas mehr als nur verdutzt. Das unmögliche erste Paar unterhält sich einfach mit dem unmöglichen zweiten Paar. Es interessiert keinen ob es vielleicht die anderen Gäste stören könnte. Auch an anderen Tischen schaut man schon etwas genervt. Es ist diesen Menschen völlig Wurscht was um sie herum ist.
Ich bin sprachlos. Soll ich jetzt etwas sagen, soll ich mich aufregen, oder explodieren?
Ich schlinge das letzte Stück meines Kuchens in mich hinein, gehe ins Restaurant zu der netten Kellnerin, die ein leises „sorry“ murmelt. Sie kann doch nichts dafür und muss sich nicht für irgendetwas entschuldigen, tut es aber. „Vielen Dank dafür“ sage ich. Ich bezahle und gehe zu meinem Auto. Der nächste lauert schon auf den Parkplatz.
Das war schon ein denkwürdiger Besuch in Eimsbüttel. Aber ich hatte wenigstens einen Parkplatz…
Ich fahre nach hause.
Ich fahre auf der Langenhorner Chaussee nach hause und freue mich. Das ist auf der Straße ja ein neues Gefühl. Ich freue mich auf mein schönes Zuhause ganz am Ende der Langenhorner Chaussee, da wo ich niemals auch nur durchfahren wollte…
Ich freue mich auf schöne Anlage, die großen Wiesen vor der Terrasse und meinem kleinen Garten, auf die wunderschönen Linden, die Ruhe und die gute Luft. Und einen Parkplatz habe ich hier auch. Die Langenhorner ist gar nicht schlimm, sie ist mein Weg nach hause. Und wenn ich möchte, bin ich in einem Kilometer im Grünen, oder in 5 Kilometern in der Stadt (vielleicht doch nochmal ein Kaffee im Versepers…).